Sonntag, 31. Juli 2011

Exoplaneten (19) - Atmosphären von Gasplaneten

Rossiter-McLaughlin-Effekt
Wenn die Rotationsachse eines Sterns ungefähr senkrecht zur Blicklinie steht, dann macht sich dessen Eigenrotation in einer typischen Veränderung seiner Spektrallinien bemerkbar. Man kann sich leicht vorstellen, daß in diesem Fall an Stelle einer festen Wellenlänge λ0 quasi ein Strahlungsgemisch aus unterschiedlichen Dopplerverschiebungen gemessen wird, da sich aufgrund der Rotation ein Teil der Sternmaterie mit jeweils unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf den Beobachter zu und der andere Teil von ihm weg bewegt. Bezeichnet man mit vr die Radialgeschwindigkeit eines Oberflächenelements am Rand des Sterns, dann wird gemäß dem Dopplereffekt eine Spektrallinie quasi über den Wellenlängenbereich
verschmiert. Genauer, es ändert sich deren um λ0 symmetrisches Profil (Dopplerprofil), welches um so flacher wird, je größer |vr| ist. Dieser wohlbekannte Effekt wird gewöhnlich genutzt, um auf statistischem Weg (wegen der Unbestimmtheit  von i in der Beziehung vr  sin i) die Rotationsgeschwindigkeit von verschiedenen Sternen in Abhängigkeit von Spektraltyp und Leuchtkraftklasse zu bestimmen.


Bei einer Bedeckung des Sterns durch einen Exoplaneten muß sich demnach abwechselnd die Intensität des blau- und rotverschobenen Anteils verändern, was sich mehr oder wenig deutlich (abhängig von der Bahnlage des Exoplaneten in Bezug auf die Rotationsachse) im Linienprofil niederschlägt. Durch eine genaue Ver-messung dieses Effekts läßt sich die Umlaufrichtung (prograd oder retrogard) des Exoplaneten sowie die Neigung von dessen Bahnebene relativ zur Rotationsachse ermitteln, was ansonsten kaum möglich ist.


Die obige Abbildung zeigt die Auswirkung unterschiedlicher Inklinationen auf die scheinbare Radialgeschwindigkeitskurve. Außerhalb des Transits mißt man aufgrund der Symmetrie des Dopplerprofils einen konstanten Radialgeschwindigkeitswert. Tritt eine Bedeckung ein, ändert sich je nach der Umlaufrichtung zuerst die kurzwellige oder langwellige Flanke der Linie und die scheinbare Radialgeschwindigkeit wird quasi auf eine typische Art und Weise moduliert.  Daraus läßt sich die Rotationsrichtung und die Inklination der Exoplanetenbahn bestimmen.


Einstrahlungseffeke und ihre Wirkung auf die Atmosphäre von hot jupiters
„Heiße Jupiter“ sind das Ergebnis einer Migration von Gasplaneten aus dem äußeren Bereich eines Sterns (nur dort können sie entstehen) auf Bahnen in unmittelbarer Sternnähe (z.T. <0.05 AU). Weiterhin erwartet man aus himmelsmechanischen Gründen, daß sich während des Migrationsprozesses die Rotationsdauer immer mehr der Umlaufszeit anpaßt, so daß hot jupiters mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf ihrer sternnahen Bahn eine gebundene Rotation ausführen. Das bedeutet, daß ihre Tagseite ständig zum Mutterstern und die Nachtseite entsprechend von ihr weg gerichtet ist. Es lassen sich deshalb aufgrund der unterschiedlichen Einstrahlungsverhältnisse auch große Unterschiede in der Strukturierung der Tagseiten-Atmosphäre und der Nachtseiten-Atmosphäre erwarten.

Durch die große Sternnähe überwiegt bei diesen Planeten der Energieeintrag durch Einstrahlung auf der Tagseite bei weitem den Energiefluß, der vom Inneren (d.h. quasi von „unten“) in die Atmosphäre gelangt. Die Auswirkungen dieser Einstrahlung hängen dabei u.a. von der Art des Muttersterns (d.h. dessen spektraler Energieverteilung), der Entfernung des Exoplaneten vom Mutterstern (bestimmt die „Solarkonstante“ S am Ort des Planeten) und natürlich von der Atmosphäre des Exoplaneten selbst ab (Temperatur, chemische Zusammensetzung, Wolkenbedeckung und Art der Wolken, Opazitätsquellen).

Mittlere effektive Temperatur und effektive Temperatur der Tagseite, Albedo
Bezeichnet man analog zur Sternphysik mit LP die „Leuchtkraft“ eines Exoplaneten
dann muß sie sich offensichtlich aus zwei Teilen zusammensetzen: Einmal aus der intrinsischen Leuchtkraft Lin  , die sich aus den internen Wärmequellen des Exoplaneten speist (z.B. durch Entmischungs- und Kontraktionsprozesse) und zum anderen aus dem Anteil Lds, der aus dem reemittierten Teil der auf der Tagseite absorbierten und thermalisierten Sternstrahlung besteht.
Kann man den intrinsischen Anteil vernachlässigen, dann ergibt sich für die Gleichgewichtstemperatur der Tagseite
Für die effektive Temperatur der sternzugewandten Hemisphäre stellt sich ein Gleichgewichtswert ein, der vom Wert der Solarkonstanten am Ort des Planeten abhängt. 

Bezeichnet man mit A die Albedo (5.31), dann ergibt sich aus (5.32)  mit   L*=4π R*²  σT*^4  und dem Abstand a des Exoplaneten zum Mutterstern
Mit dieser Gleichung läßt sich die Tagseitentemperatur eines hot jupiters abschätzen. Eine kurze Überschlagsrechnung mit einem Albedo-Wert von 0.1 (einen derartigen Wert erwartet man bei „heißen Jupitern“  aufgrund der starken Alkali-Absorptionen) ergibt z.B. für HD 189733b einen Wert von ungefähr 1160 K.

Die Größe A ist prinzipiell aus präzisen Transitbeobachtungen, die möglichst ein Sekundärminimum und den Phaseneffekt zeigen sollten, bestimmbar. Das ist dahingehend von Bedeutung, da in dieser Zahl ein Großteil der Physik der sichtbaren Atmosphäre verborgen liegt. Bei den Gasplaneten des Sonnensystems liegt die Albedo zwischen 0.29 (starke Methanabsorption wie bei Neptun) und 0.35 (gut reflektierende Ammoniumhydrosulfid-Wolken auf Jupiter). Bei Exoplaneten  muß er aus Atmosphärenmodellen abgeleitet werden. Bei einer Temperatur von 900 K  bis 1500 K erwartet man z.B. starke Alkali-Absorptionen, welche den Planeten als sehr dunkel erscheinen lassen. Bei noch höheren Temperaturen (very hot jupiters) können Silizium und einige Metalle in der Planetenatmosphäre auskondensieren und helle, stark das Sternlicht reflektierende Wolken bilden. Entsprechende Atmosphärenmodelle sagen deshalb einen starken Anstieg im Albedo bis auf A~0.55 voraus.

Ausdehnung der Atmosphäre
Exoplaneten vom Typ hot jupiters sind bei vergleichbarer Masse in ihrer Ausdehnung tendenziell größer als „gewöhnliche“ Jupiter. Dieser durch Beobachtungen weitgehend bestätigte Umstand erklärt sich scheinbar zwangslos mit der Aufheizung ihrer Atmosphären durch die intensive  Sternstrahlung. 

Aufheizung bedeutet, daß ein beträchtlicher Teil der eingestrahlten Energie in Form von Wärmeenergie in der Atmosphäre deponiert wird, was gemäß den Gasgesetzen zu einer Volumenvergrößerung führt. Das Maß der Aufheizung (ausgedrückt durch die effektive Temperatur) hängt dabei neben dem Strahlungsfluß am Ort des Planeten wiederum ganz entscheidend von den Opazitätsquellen in der Atmosphäre ab. Eine Modellierung der Volumenexpansion, die durch Einstrahlungseffekte bedingt ist, ist deshalb nicht ganz einfach. Auch steht die Frage im Raum, ob es durch die asymmetrische Temperaturverteilung zu einer meßbaren Verformung z.B. der 1 bar – Druckisobare über die Tag- und Nachtseite kommt oder ob Temperaturausgleichsmechanismen in der Lage sind, den Temperaturunterschied zwischen den beiden Hemisphären auf wenige 100 K zu begrenzen. Das kann z.B. durch starke Windsysteme geschehen, die von der Eigenrotation des Planeten weitgehend abgekoppelt sind.  In solch einem Fall sollte es zu keiner größeren thermisch bedingten Verformung des Gasplaneten kommen.

Tabelle:  „hot jupiters“, für die verläßliche Masse- und Radiuswerte ermittelt werden konnten


5.72   Masse-Radius-Beziehung für einige ausgewählte Transit-Planeten vom Typ hot jupiter mit Fehlerbalken. Die intensive Einstrahlung durch den Mutterstern führt offensichtlich zu einem  Aufblähen der Planetenatmosphären.  © Guillot et.al. 2007

Da ein Gasplanet genauso wie ein Stern keine klar definierte „Oberfläche“ besitzt, muß per Definition festgelegt werden, was man unter seinem „Radius“ überhaupt verstehen soll. Es hat sich dabei bewährt, auf die sinngemäß gleiche Definition wie bei Sternen zurückzugreifen, nämlich auf den Abstand vom Zentrum, wo die (wellenlängenabhängige) optische Tiefe τ (als Maß für die Durchsichtigkeit der Planetenatmosphäre für das Sternlicht, wenn der Gasplanet genau in Sichtlinie mit seinem Mutterstern steht) den Wert 2/3 erreicht hat. Physikalisch entspricht das ungefähr dem Abstand R, wo die tatsächliche Temperatur T(R)   genau der effektiven Temperatur Teff  des Planeten entspricht. An dieser Stelle hört die Atmosphäre natürlich nicht auf. In Transitlichtkurven beobachtet man einen um ∆R größeren Radius, wobei ∆R ungefähr 5 Skalenhöhen (3.7) entspricht. In der Skalenhöhe einer Atmosphäre ist u.a. über T(h) die thermische Ausdehnung durch Strahlungsabsorption und die damit verbundene Aufheizung explizit mit enthalten. 

Man kann nun theoretisch die Entwicklung von ∆R in Abhängigkeit des Alters des Gasplaneten (Entwicklungsmodelle mit Abkühlungsgeschichte – Abkühlung bedeutet Schrumpfung), seiner Migration in sternnahe Bahnen (stetige Vergrößerung von S, Übergang in einen gebundenen Rotationszustand) sowie in Abhängigkeit von Masse und Masseverlust (besonders in Sternnähe durch Jeans-Escape), chemische Zusammensetzung (Metallizität) und der Präsenz eines festen inneren Kerns sowie weiterer Parameter (wie innere Energiequellen) untersuchen. 

Ergebnisse
  • Die Atmosphärenmächtigkeit hängt empfindlich von der Präsenz eines inneren Kerns (Gestein, „Eis“) und dessen Inhalt an thermischer Energie ab (Bodenheimer at.al. 2003). Das gilt besonders für Exoplaneten mit M≤1 MJ. Eine hohe thermische Trägheit des Kernmaterials verlangsamt den Auskühlungsprozeß und damit das damit verbundene Schrumpfen des Planeten.
  • Eine Erhöhung der Metallizität einer H2/He- Atmosphäre begünstigt bei entsprechender Einstrahlung aufgrund des damit einhergehenden Anwachsens der Opazität eine Aufheizung und damit Aufblähung des Gasplaneten. Ohne nennenswerte Einstrahlung verringert dagegen eine Erhöhung der Metallizität nach (3.7) die Skalenhöhe der Atmosphäre und der Planet wird kompakter.
  • Die intensive UV-Strahlung vom Mutterstern initiiert photochemische Prozesse, die eine nicht näher bestimmbare Zahl von Molekülarten produzieren, die starken Einfluß auf das Albedo nehmen können (z.B. durch Ausbildung von reflektierenden Dunstschichten). Ihr Einfluß auf die Atmosphärenmächtigkeit ist im Einzelnen jedoch nur schwer einzuschätzen.
Da der Radius bzw. das Masse-Radius-Verhältnis in Korrelation mit der Einstrahlung eine wichtige Beobachtungsgröße ist, kann man versuchen, über Modellrechnungen die Parameterkombinationen zu finden, die diese Beobachtungsgrößen am besten widerspiegeln. Dazu verfolgt man in Entwicklungsmodellen die Abkühlungsgeschichte von Gasplaneten unterschiedlicher Masse, unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung (Metallizität), ob mit oder ohne Kern sowie unter unterschiedlichen Einstrahlungsbedingungen und berechnet die Entwicklung des Planetenradius als Funktion der Zeit. Durch Vergleich realer Exo-planetenparameter mit solchen Modellrechnungen läßt sich dann indirekt etwas über deren Natur und Aufbau in Erfahrung bringen.


5.73   Planetenradius als Funktion des Alters für einige besonders große Transit-Exoplaneten, berechnet für den Fall einer 10 mal höheren Metallizität im Vergleich zur Sonne und unter der Annahme, daß sie keinen merklichen Kern und auch keine Wolken in ihrer Atmosphäre besitzen.  © A.Burrows et.al. 2007

Masseverlust durch Abdampfung / Jeans-Escape / blow-off
Der hot jupiter HD 209458 b („Osiris“) umkreist seinen Mutterstern (Spektraltyp G0V, Teff~6000 K) in einer Entfernung von lediglich 6.9 Millionen km, was gerade einmal 1/8 der Entfernung des Merkurs zur Sonne entspricht. Der Strahlungsfluß, der ihn auf seiner Tagseite trifft, beträgt etwa 1.1∙10^9 W/m². Durch die damit verbundene enorme Aufheizung (T~1100 K) verliert er aus seiner ca. 10000 K heißen, den Planeten umgebenden ellipsoidförmigen Hülle kontinuierlich Wasserstoff (und natürlich auch andere Elemente), der durch den Sternwind mitgerissen, hinter dem Planeten einen kometenähnlichen Schweif bildet. Er konnte bereits 2003 mit Hilfe des Hubble-Teleskops nachgewiesen werden. Er ließ sich auf der Nachtseite ungefähr einen Planetendurchmesser weit verfolgen (~200000 km). 

Berechnungen zeigen, daß „Osiris“ auf diese Weise pro Sekunde etwa 100 bis 500 Millionen kg an Masse verlieren muß. Man vermutet deshalb, daß er über sein geschätztes Alter von 5 Milliarden Jahre bereits 6-7% seiner Masse verloren hat. Eine vollständige Auflösung ist jedoch bei seiner heutigen Bahnlage in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. So könnten z.B. ausgedehnte Magnetfelder den Masseabfluß begrenzen, in dem sie Ionen am Entweichen hindern. Der Mechanismus entspricht dabei dem Teilcheneinschluß in der Magnetosphäre der Erde.

Für den kontinuierlichen Masseverlust eines hot jupiters wie HD 209458 b sind mehrere physikalische Prozesse verantwortlich, die alle etwas mit der starken Einstrahlung und der damit verbundenen Aufheizung der oberen Atmosphärenschichten zu tun haben. 

Im Einzelnen sind das:
  • Thermischer Verlust
Moleküle, deren thermische Geschwindigkeit vth die Entweichgeschwindigkeit 
erreicht, können prinzipiell (soweit sie nicht durch Stöße daran gehindert werden) in den freien Weltraum entweichen. Die Rate dN/dt, mit der das geschieht, läßt sich mittels der Jeans-Gleichung (3.34) berechnen, weshalb man auch von „jeans escape“ spricht. Bei den Temperaturen, wie sie in der Exosphäre von stark aufgeheizten Gasplaneten erwartet werden (bis zu einigen 10^4 K), betrifft das die Teilchen, die den hochenergetischen „Schwanz“ der Maxwell-Verteilung (3.29) bevölkern. Aufgrund der gravitativen Bindung hängt die Entweichwahrscheinlichkeit neben der Temperatur T noch entscheidend von der Teilchenmasse m ab:  Wasserstoffatome entweichen leichter als Wasserstoffmoleküle und Wasserstoffmoleküle leichter als Heliumkerne usw. Photodissoziationsprozesse, die in die Exosphäre gelangten Moleküle in ihre atomaren Bestandteile zerlegen, können deshalb einen großen Einfluß auf den Teilchenstrom nehmen. 
  • Verlust aufgrund nichtthermischer Prozesse
Dazu gehört das Mitreißen von geladenen Teilchen aus der oberen Planetenatmosphäre durch den Sternenwind. Dieser Effekt ist um so effektiver, je geringer das Eigenmagnetfeld des Planeten ist. Die Ionenproduktion hängt dabei stark von der Intensität des kurzwelligen Anteils der auftreffenden Sternstrahlung ab.
  • Hydrodynamisches blow-off
Bei sehr hohen Temperaturen (10000 – 20000 K) kann die Basis der Exosphäre (d.h. die Höhe, ab der sich Teilchen auf ballistischen Bahnen nahezu stoßfrei bewegen) die Roche lobe des Planeten ausfüllen, wobei die Roche lobe die äußere gravitative Potentialfläche mit dem Potential V=0 darstellt. Über den inneren Lagrangepunkt L1 fließt dann Gas ungehindert in die Roche lobe des Muttersterns ab, was einen kontinuierlichen Masseverlust für den Gasplaneten bedeutet. 


5.74   Einer der heißesten bekannten Exoplaneten mit einer effektiven Temperatur von 2500 K ist WASP-12b. Man vermutet  (wie auf dieser künstlerischen Darstellung zu sehen), daß er Materie über seinen inneren Lagrangepunkt verliert und sich auf diese Weise eine Gasscheibe um den nur 0.023 AU entfernten Mutterstern (G0, T~6300 K) bildet.                                                          © NASA

„Abdampfung“ erfolgt immer aus der Exosphäre eines Planeten. Deren Temperatur sowie deren Abstand zur Roche-Grenze bestimmen im Wesentlichen die Masseverlustrate. Aufgrund der gezeitenbedingten Abweichung der Form der Roche lobe von einer Sphäre erfolgt das Abströmen der Teilchen anisotrop und zwar derart, daß die größten Teilchenflüsse in Richtung des Sterns sowie entgegengesetzt dazu auftreten. 


 5.75  Gestalt der Exobase eines hot jupiters in der Art von HD  209458b, wie sie aus Modellrechnungen mit einer Exosphären­temperatur von T=11100 K folgt. Die Graustufen kodieren die Entweichraten von  (hellgrau) bis  (schwarz). Die Achse Stern-Exoplanet verläuft in x-Richtung.  © A. Lecavelier des Etangs et.al. 2004

Der Schlüsselprozeß ist dabei die Exosphärenheizung durch die Röntgen- und UV-Strahlung des Muttersterns. Die Temperatur der tieferen Atmosphärenschichten, charakterisiert durch die effektive Temperatur Teff, ist für den Masseabfluß in den Weltraum kaum von Bedeutung. Physikalisch signifikant ist dagegen die um mindestens eine Größenordnung höhere Exosphärentemperatur, die sich als Gleichgewichtszustand zwischen Strahlungsheizung und verschiedenen Kühlmechanismen einstellt. 

Auch die Gasplaneten unseres Planetensystems besitzen heiße Exosphären. So beträgt der Unterschied zwischen der Strahlungstemperatur von Jupiter und der Temperatur seiner Exosphäre trotz seiner großen Sonnenentfernung ~500-900 K. Bei hot jupiters rechnet man mit Exosphärentemperaturen von ~1∙10^4  bis ~3 ∙10^4  K für die darin überwiegende Wasserstoffkomponente. Die physikalischen Prozesse, die zur Aufheizung und zu einem fast isothermen Temperaturregime führen, beruhen im Wesentlichen auf der Absorption kurzwelliger Strahlung unterhalb einer Wellenlänge von ungefähr 200 nm sowie in inelastischen Stoß- und Streuprozessen von Röntgen- und Gammaquanten sowie Elektronen, Protonen und leichten Kernen aus dem in die Exosphäre eindringenden Sternwind. Gerade der Einfluß der letzteren Komponente ist bei Exoplaneten nur sehr schwer einzuschätzen, da der Fluß geladener Teilchen in die Planetenatmosphäre stark von einem eventuell vorhandenen Eigenmagnetfeld abhängt. Existiert solch ein Magnetfeld (wie z.B. bei Jupiter), dann kann es anströmende geladene Teilchen ablenken und teilweise in Richtung der Pole kanalisieren, wo es dann im Bereich der Thermosphäre zu Stoßprozessen kommt, bei denen Neutralgasteilchen ionisiert und angeregt, aber auch Moleküle dissoziiert werden. Auf diese Weise läßt sich eine gewisse Menge an zusätzlicher Energie in der Polkalotte eines Exoplaneten deponieren, was effektiv einer Heizung entspricht (auroreal heating). Die dazugehörigen Kühlungsprozesse sind in erster Linie Rekombinationsprozesse, die z.B. in den Polarlichtgürteln von Jupiter und Saturn direkt sichtbar werden. Polare Aufheizungen sollten aber auch zu Windsystemen führen, welche in der Lage sind, die dort deponierte Energie in mittlere und äquatoriale Breiten umzuverteilen.

Die Heizung der Exosphäre durch XUV-Strahlung beruht auf deren hohen Absorptionsquerschnitt für kurzwellige Strahlung und dem Fehlen eines effektiven Kühlmechanismus in dieser Region. Absorptionsquerschnitt und die Häufigkeitsverteilung der absorbierenden Partikel entlang eines Weges in der Atmosphäre bestimmen bekanntlich die optische Tiefe τ als Maß für die Strahlungsabsorption. Ein großer Absorptionsquerschnitt impliziert deshalb, daß die Absorption bereits in der Hochatmosphäre eintritt. Das ist z.B. für die Lyman-Alpha-Absorption von neutralen Wasserstoff (λ=121.6 nm) der Fall. Ist der Absorptionsquerschnitt dagegen gering, dann ist für die optische Tiefe der Konzentrationsterm der absorbierenden Teilchen ausschlaggebend und die Strahlungsabsorption wird erst in tiefer liegenden Atmosphärenschichten wesentlich. 

Die Aufheizung auf einige 10^3 bis 10^4 K ist nur dadurch möglich, weil effektive Kühlmechanismen fehlen. In der unteren Atmosphäre erfolgt die Kühlung derart, daß z.B. durch Stöße mit hochenergetischen (d.h. „heißen“) Teilchen Vibrations- und Rotationsfreiheitsgrade von Molekülen angeregt werden, die sie wiederum durch Emission von IR-Strahlung abbauen können. In der wasserstoffdominierten Exosphäre eines Gasplaneten stehen dafür im Wesentlichen nur H3+ -Ionen zur Verfügung. Ihre Konzentration ist aber viel zu gering (die thermische Dissoziation von H2 begrenzt deren Produktionsraten), als daß sie in der Lage sind, einen wesentlichen Kühlungseffekt hervorzurufen.  

Weitere Kühlmechanismen, die quantitativ aber nur schwer abzuschätzen sind, betreffen die molekulare Wärmeleitung (H2) in Richtung der kühleren Mesosphäre,  die Anregung höherer energetischer Zustände neutraler Wasserstoffatome sowie deren Ionisierung durch Stöße. Außerdem verlassen hochenergetische Teilchen ständig die Exosphäre in Richtung Weltraum, was genau genommen auch nichts anderes als eine Art von Kühlung darstellt. Bei extremer Sternnähe (<0.04 AU) kann sie sehr effektiv werden.


5.76   Berechnete Gleichgewichtstemperaturen für die Exosphäre als Funktion des Abstandes d vom Mutterstern für drei verschiedene Modelle von HD 209458 b, die sich bei einem Abstand von 0.045 AU in ihrer Exosphärentemperatur unterscheiden. Die im XUV absorbierte (minimale) Energiemenge wurde anhand von Modellrechnungen zu 2.7∙(d/1AU)  erg cm^(-2)  s^(-1) abgeschätzt. Der rapide Temperaturabfall bei einer Entfernung unterhalb von 0.04 AU ist das Resultat einer schnell ansteigenden Entweichrate, was zu einer starken Abkühlung der Exobase führt.

Die Intensität der XUV-Strahlung am Ort des Planeten hängt von der effektiven Temperatur des Muttersterns, d.h. von dessen Spektraltyp ab. Er bestimmt, welcher Anteil der Leuchtkraft auf den hier interessierenden Spektralbereich entfällt. Da die Intensität mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, ist die nächste wichtige Größe der Abstand des Planeten vom Mutterstern. Er kann während eines Umlaufs variieren, wenn die Bahnellipse eine merkliche Exzentrizität aufweist. Will man den Masseverlust im Rahmen von Entwicklungsmodellen untersuchen, muß man darüber hinaus auch noch die stellare Entwicklung der UV-Leuchtkraft in geeigneter Weise in die Modellrechnungen einfließen lassen. Derartige Modellrechnungen wurden mehrfach durchgeführt, um die Beobachtungsergebnisse am Exoplaneten HD 209458 b erklären zu können (z.B. A. Lecavelier des Etangs et.al. 2008).  Die dabei berechneten Entweichraten für atomaren und molekularen Wasserstoff sind mit den Beobachtungen (~〖10〗^7  kg s^(-1)) durchaus vereinbar.

Nachweis des Massenverlusts bei Transitbeobachtungen
Genaue Transitbeobachtungen von HD 209458b wurden bereits 2003 von Vidal-Madjar et.al. mit Hilfe des Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS, Hubble-Teleskop) durchgeführt mit dem Ziel, neutralen Wasserstoff H I nachzuweisen. Diese Beobachtungen wurden später wiederholt (Lecavelier des Etangs et.al. 2010)  und führten zur Entdeckung des bereits beschriebenen intensiven Masseabflusses aus der Exosphäre dieses „Heißen Jupiters“. 

Untersucht wurde die Lyman-Alpha-Absorption bei λ=121.6 nm  in der Atmosphäre des Exoplaneten während des Transits. Aufgrund der Bedingungen in der Exosphäre (und seiner erwarteten Ausdehnung) kommt nur die Lyman-Alpha-Absorption in Frage, da die Auswirkungen anderer denkbarer Übergänge mit der verwendeten Beobachtungstechnik nicht meßbar sind. 


5.77   Die Transitlichtkurve von HD 209458 b zeigt bei Ly-α eine überraschend starke Absorption um 15±4 %, was auf eine ausgedehnte Hülle von neutralem  Wasserstoffgas um den Exoplaneten schließen läßt.  © Ehrenreich et.al. 2009

Das Ergebnis der Beobachtungen war ein überraschend deutlicher Intensitätseinbruch von ~15% während der Totalitätsphase. Wenn man annimmt, daß der projizierte Radius der Roche lobe ~2.8 Planetenradien beträgt und dieser Bereich mit neutralen Wasserstoff in der theoretisch erwarteten Teilchenzahldichte ausgefüllt ist, dann sollte die Einsenkung der Transitlichtkurve bei Ly-α  ~11% betragen. Eine weitere Anomalität zeigte die Untersuchung des Linienprofils der Ly-α  - Linie während und außerhalb des Transits. Sie ergaben eine Modifizierung des Dopplerprofils der Linie, aus der sich eine höhere Ausströmgeschwindigkeit als die theoretisch Mögliche mit v=43 km/s aus der Roche lobe heraus lesen läßt. Aus diesen Beobachtungen schließt man im Vergleich mit Modellrechnungen
  1. Neutrales Wasserstoffgas muß sich auch außerhalb der Roche lobe befinden
  2. Da die Ausströmgeschwindigkeit, die sich im Linienprofil niederschlägt, größer ist als die Entweichgeschwindigkeit, muß ein Masseabfluß stattfinden
Diese Befunde stehen im Einklang mit einer Masseverlustrate von  dm⁄(dt≈(1 bis 5) ∙10^7 ) kg/s. HD 209458 b befindet sich im Zustand des hydrodynamischen blow-off

Massenverlust und Lebensdauer von hot jupiters
Mit dem stetigen Masseverlust in Verbindung mit einer Migration der Bahn in immer größere Sternnähe stellt sich die Frage der Lebensdauer von Gasplaneten des Typs hot jupiter. Diese Frage umfaßt genaugenommen mehrere Aspekte, die bei einer theoretischen Behandlung ins Kalkül zu ziehen sind:
  • Ort der Entstehung des Gasplaneten in der protoplanetaren Scheibe
  • Umstände und Dynamik der Migration in immer sternnähere Bahnen
  • Physikalische Parameter des Gasplaneten in Abhängigkeit seiner Abkühlungsgeschichte
  • Physikalische Parameter des Muttersterns (primär dessen Masse und Metallizität)
  • Die Sternentwicklung selbst (zeitlicher Verlauf der Leuchtkraft, Sternwinde und deren Auswirkung auf die Masseverlustrate)
  • Intrinsische planetare Magnetfelder in Verbindung mit dem Übergang in einen gebundenen Rotationszustand (tidal locking)
  • Entwicklung der Atmosphäre des Gasplaneten unter Strahlungseinfluß
Das sind nur einige Punkte, welche Einfluß auf die Lebensdauer eines Gasplaneten nehmen. Das „Lebensende“ läßt sich dabei je nach Standpunkt als „vollständige Zerstörung“ des Planeten, als Verlust seiner gesamten Atmosphäre (chthonian planets) oder als der weitgehende Verlust seiner leichten Atmosphärengase Wasserstoff und Helium (hot neptunes) definieren.

Simulationsrechnungen zeigen jedenfalls, daß die verbleibende Lebensdauer von hot jupters mit Umlaufszeiten unterhalb von drei Tagen (was ungefähr einem Abstand von ~0.04 AU zum Mutterstern entspricht) deutlich begrenzt ist, wobei sie u.a. durchaus entscheidend von der Masse des Gasplaneten abhängt – je größer die Masse des Exoplaneten ist, desto länger kann er sich einer Erodierung durch die Strahlung seines Muttersterns widersetzen. 


5.78   Linien gleicher Lebensdauer  t*=log10 (∫dM/(dM/dt)), die sich aus der vollständigen Erosion des Planeten mit der (zeitabhängigen) Massenverlustrate  dM/dt ergeben (Modell A in Abb. 5.76). Die Lage von HD 209458b ist durch einen roten Kreis gekennzeichnet.   © A.Lecavelier des Etangs, 2004

Hot neptunes
Was den Masseverlust betrifft, sind verschiedene Szenarien denkbar. Verliert der Gasplanet den größten Teil des Wasserstoffgehalts seiner Atmosphäre, dann wird er sich wahrscheinlich zu einem hot neptune entwickeln. Das sind Gasplaneten mit einem ähnlichen stofflichen Aufbau wie Uranus und Neptun in unserem Sonnensystem mit einem signifikanten Defizit an Wasserstoff in den Atmosphärenschichten. Durch ihre Sternnähe sind diese jedoch ähnlich wie bei den die hot jupiters stark aufgeheizt. Ein ernsthafter Kandidat für diese spezielle Gruppe von Gasplaneten ist Gliese 436 b. Er bewegt sich in einer Entfernung von nur 0.03 AU um einen M2.5V-Zwergstern (T~3300 K), wobei er für einen Umlauf 2 Tage und 15.5 Stunden benötigt. Seine effektive Temperatur konnte aus dem Nebenminimum der Transitlichtkurve zu ~700 K  bestimmt werden. 

Chthonian planets
Planeten, deren Atmosphären durch exogene Einflüsse fast vollständig erodiert sind, nennt man chthonische Planeten. Dieser Begriff wurde 2003 eingeführt und geht auf das griechische Wort Chthonia zurück, welches sich wiederum von dem Substantiv  χθών ableitet, was in der griechischen Mythologie „Erde“ im Sinn der Oberfläche der feurigen „inneren“ Erde bedeutet, dem Ort also, wo der „chthonische“ Gott Hades herrscht. Wenn sich also von einem Gas-, Flüssigkeits- oder Gesteinsplaneten die Atmosphäre durch die Strahlung ihres Muttersterns verflüchtigt hat, dann reiht man ihn in diese hypothetische Klasse von Planeten ein. CoRot-7b im Sternbild Einhorn könnte dazu gehören.

Großer Perlmutterfalter


Heute möchte ich auf meinen Blog den Großen Perlmutterfalter (Argynnis aglaja) etwas näher vorstellen. Er ist, seit dem die Weidewirtschaft auf unseren Gebirgswiesen im Zittauer Gebirge weitgehend eingestellt ist, im Hochsommer wieder häufiger anzutreffen. Es handelt sich dabei um einen sehr stattlicher Falter, der gerne die Blütenköpfe verschiedener Distelarten besucht. Sein Name leitet sich von den silbern-perlmuttartig glänzenden Flecken seiner Flügelunterseite ab. Daran kann man ihn auch gut von einer Anzahl sehr ähnlicher Arten unterscheiden. Seine Raupen leben an verschiedenen Veilchenarten. 






Samstag, 30. Juli 2011

Bizarre Sandsteingebilde in der Daubaer Schweiz

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


Das Kokorschiner Tal, auch Daubaer Schweiz genannt, ist ein wunderbares Wandergebiet südlich des Hirschberger Sees (Doksy) in Nordböhmen (grob gesagt, zwischen Böhmisch Leipa und Melnik). Es handelt sich dabei um eine stark erodierte kreidezeitliche Sandsteinplatte, die stark vulkanisch beeinflußt ist (Tertiär) und durch Bäche und Flüsse am Ende der Eiszeit tief eingetalt wurde. Denkt man sich allen Pflanzenwuchs einmal weg, dann hätte dieses Gebiet den Charme eines kleinen Grand Canyons. Heute stellt es sich als ein wahres landschaftliches Kleinod, geprägt durch schattige Wälder und mächtige Felsriffe, die teilweise von Kiefern bewachsen und ansonsten zum Teil pittoresk verwittert sind, dem Wanderer dar. Wer die Gegend einmal selbst erleben möchte, kann z.B. den von Wemmschen (Mseno) beginnenden Wanderweg durch diese bizarre Felsenwelt dafür nutzen.










Auf diesem Foto ist deutlich die sogenannte Wabenverwitterung zu erkennen, welches an den senkrechten Sandsteinfelsen bienenwabenartige Strukturen hinterläßt. Sie ist das Resultat einer chemischen Verwitterung, an der insbesondere das Alaun-Salz beteiligt ist. Alaun löst sich in Wasser und kann so durch den porösen Sandstein sickern. Trocknet die Fläche dann aus, dann kommt es zur Kristallbildung (Volumenvergrößerung) die dazu führt, daß kleine Sandkörnchen vom Sandstein abgesprengt werden (deshalb befindet sich unter solch einer Felswand immer eine Randschicht von ganz feinem Sand). Dem entgegen wirkt die Verfestigung des Sandsteins durch Kieselsäure (an diesen Stellen kann weniger Wasser eindringen). Diese beide Prozesse, die kleinräumig quasi gegeneinander arbeiten, führen letztendlich zu den sichtbaren Wabenstrukturen.





Diese "Steinernen Tische" entstehen immer dann, wenn es in einem Sandstein übereinander "harte" Schichten (verhärtet z.B. durch das Eindringen eisenhaltiger Wässer während der vulkanisch aktiven Periode im Tertiär - erkennbar an der roten Färbung, die an Rost erinnert) und weniger harten Schichten (verfestigte, mehr lehmige Ablagerungen) gibt, die unterschiedlich schnell verwittern. Derartige Formationen kann man z.B. in der Nähe von Vojtechov, wo sich die sogenannten Jestrebické poklicky befinden, bewundern.


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Essay: Christian Pescheck und sein "Vorhof der Stern-Wissenschaft" von 1729


Altes Zittauer Gymnasium gestern und heute...

Aufnahme:  Marlene Knoche, Görtlitz (Link)  -  Gourmet-Link

Vom alten Gymnasium in Zittau gibt es einen Kupferstich von Johann Daniel de Montalegre (1697 - 1768) nach einer Vorlage von Andreas Lencke aus dem Jahre 1729. Dieser Kupferstich, welcher offensichtlich eine Anzahl von Personen bei der Beobachtung des Sternhimmels zeigt, stammt aus der Einlage eines Buches des damals sehr bekannten und verehrten Gymnasiallehrers und Rechenmeisters Magister Christian Pescheck mit dem für unsere heutigen Ohren etwas sperrigen Titels Vorhof der Stern-Wissenschaft oder Astronomiae, Darinnen Alles das jenige, was von dieser nützlichen Scientz, einem politen Menschen und Anfänger der Astronomie, zu wissen nöthig, deutlich erkläret und beschrieben wird; Anbey ist auch ein zulänglicher Unterricht mitgetheilet, wie man nicht allein einen Calender, nach allen seinen Eintheilungen und Characteribus, gründlich verstehen, sondern auch, wie ein jeder sich selbst, einen Calender verfertigen könne.



Dieses sicherlich als Lehrbuch konzipierte Werk erscheint in mehrfacher Hinsicht interessant zu sein, da es einen für die damalige Zeit durchaus fundierten Überblick über den Stand der Astronomie gibt und auch zeigt, daß die Korrespondenz unter den Gelehrten in jener Zeit sehr gut funktioniert haben muß, wenn selbst ein Gymnasiallehrer im Osten des damaligen Königreiches Sachsen in etwa auf dem Wissensstand der Fachastronomen in Frankreich und England gewesen ist. Weiterhin hat mich schon immer gewundert (sogar als Schüler, als ich noch den Nebelkatalog von Herschel in der Christian Weise Bibliothek ausleihen konnte), wieso gerade in der Zittauer Bibliothek eine große Zahl astronomischer Werke aus dem 16. und 17. Jahrhundert in erstaunlich konzentrierter Form (u.a. Copernicus sein Hauptwerk über die Umschwünge der Himmelskörper, mehrere Werke von Tycho Brahe, ich komme noch darauf zurück) im Altbestand  vorhanden sind. Auch der heute im Zittauer Stadtmuseum ausgestellte Himmelsglobus des Magisters George Engelmann von 1690 paßt irgendwie in dieses Bild.  Das alles ist Grund genug, sich einmal etwas näher mit dem Autor jener oben genannten Schrift zu beschäftigen, insbesondere auch deshalb, weil Christian Pescheck (er lebte von 1676 bis 1744) eine der Wurzeln eines heute noch sehr bekannten Gelehrtengeschlechts gleichen Namens in der Oberlausitz gewesen ist.

Das Buch „Vorhof der Stern-Wissenschaft“ beginnt im Stil seiner Zeit mit einer umfänglichen Widmung an „Dem Hoch-wohlgebohrnen Herrn Johann Georgen von Wichmannshausen etc. etc. pp.“, welche - wie jede Widmung  aus jenen Zeiten - sich heute sehr eigenartig liest. Sie ist auf den 9. Mai 1729 datiert. Dem folgt eine Vorrede, in dem der Autor die Wichtigkeit der Astronomiae, wiederum recht umständlich, mit einem methodischen Ausblick über Unterrichtsformen und über Satz- und Beweisführung in der Rechenkunst, begründet. 

Im Vorbereitungsteil, in dem der Autor erklärt, was die Astronomie ist und mit was sie sich so beschäftigt, geht er auch auf die Astrologie ein. Dort liest man in §.4 einigermaßen erstaunt:

Vor Alters hat sie auch gehesen Astrologia, eine Rede von dem Gestirne, welches Wort bey den Alten ebso viel bedeutet hat, wie die Astronomi. Allein heut zu Tage wird ihr dieser Nahme nicht beygeleget. Die Astronomi machen einen Unterschied, unter der Astronomie und Astrologie. Durch die Astronomie verstehen sie, wie oben gedacht, eine Wissenschaft von der Bewegung, Unterschiede, Ordnung und Stande derer himmlischen Cörper; Hingegen durch die Astrologie, wollen sie verstanden haben die Wahrsagerey aus dem Gestirne und deren Influentz, darunter das Planeten-Lesen, Nativitäts-Stellen u. die tägliche Witterung begriffen ist. Jene, nehmlich die Astronomie, ist ihres Nutzens wegen hoch zu aestimieren; Diese aber, die Astrologie, ist wegen ihres sandigten und schlechten Fundaments, als auch Beweißthumes, Auslachens würdig; wie von derselben Nichtigkeit Hn. Joh. Christoph Sturms, gewesenen Prof. Mathematici zu Altdorff, seine Vorstellung von den lügenhaften Stern-Wahrsagerey, kann nachgelesen werden. Ingleichen kann auch Tit. Hr. Ernst Christian Schrödters, Prof. Publ. Zu Wittenberg, dritter Theil Acerrae Biblicae continuitae, von dieser Materie, nachgeschlagen werden, da gedachter Hr. Author von der Astrologie oder Prognosticiren aus dem Gestirne, in der XL, XLI, und XLII. Historie, gar weitläuffig handelt, und gründlich beweiset, daß es bey Gott ein sehr verhaßtes und sündliches Studium sey. Hr. M. Adam Erdmann Mirus. Des Zittauschen Gymnasii Con-Rector, hat gleichfalls die Astrologie, in seiner Astronom facra Pag. 220& Seqq. Mit vielen Argumenten übern Hauffen geworffen.

Eine solche klare Abgrenzung der Astrologie von der Astronomie sowie die Einschätzung ihres Wertes liest man nur selten in Büchern, die zu Anfangs des 18. Jahrhunderts erschienen sind. In den Klassenzimmern des von Christian Weise (1642-1708) zu hohem Ansehen gebrachten Zittauer Gymnasiums muß sich schon früh der Atem der Aufklärung breit gemacht haben, noch bevor dieser Begriff in seiner gesellschaftspolitischen Bedeutung überhaupt geprägt worden ist.

Das in diesem Buch nun folgende erste Kapitel beschreibt außergewöhnlich ausführlich, wie man einen Himmelsglobus konstruiert und anfertigt. Dabei werden alle Grundbegriffe der, wir würden heute sagen, sphärischen Astronomie, im Detail erläutert. Es ist interessant zu lesen, wie der deutsche Grundtext immer wieder durch lateinische technische Termini (z.B. „Linea aequinocti“) durchsetzt ist, was dem Verständnis aber keinerlei Abbruch tut. Man kann m.E. durchaus davon ausgehen, daß bei der Abfassung dieses Kapitels der noch heute vorhandene Himmelsglobus von George Engelmann Verwendung gefunden hat (er kann im Zittauer Stadtmuseum bewundert werden). Am Ende des Abschnitts erfolgt die Behandlung des Tierkreises (Zodiacus), aus dem ich kurz einen Paragraphen als Lesebeispiel zitieren möchte:

§.36  Warum aber unsere Vorfahren und Astronomi, denen in solchen Circulo befindlichen Sternen, dergleichen Nahmen gegeben, und sie mehrentheils gewissen Thieren verglichen, dasselbe mag geschehen seyn, eines Theils wegen der Art und Eigenschafft der Sternen, welche sie mit denen Thieren, so in einem jedem solchen Zeichen begriffen sind, gemein haben; anderen Theils, wegen der Krafft und Würkung, welche die Sonne mercken lässet, wenn sie in diesem oder jenem Raum des Zodiaci oder Thier-Creyses lauffet. Und weil der Widder das Oberhaupt in Schaaf-Stalle ist, und dahero Dux Gregis heisset, als war es auch nicht unbillig, daß die Alten das erste Stern-Bild als einen Widder formiret, und solches zum Vorgänger des übrigen Gestirnes im Thier-Creyse gemachet, wie denn Manilius von ihm also redet: Consilium ipse suum est Aries, ut principe dignum est, Audit se &c.

Anschließend werden alle Tierkreissternbilder sowie die dazugehörigen Fabeln (Fabula Ethnicorum), die ihren Bezeichnungen zugrunde liegen, sehr ausführlich beschrieben. 

Das dritte Kapitel „Von der Erd-Kugel“ beschreibt Gestalt und Größe des Erdkörpers,  wobei ausführlich ihre Kugelform anhand einer Vielzahl von Beobachtungen begründet wird. Daß das Erdinnere feurig und flüssig sein muß, wird anhand von Vulkanen plausibel gemacht, deren Zahl, Orte und Eigenschaften in einem extra-Paragraphen mitgeteilt werden.  Den größten Teil des Kapitels nehmen jedoch Berechnungen ein, welche die Größe, den Umfang, das Volumen und die Fläche der „Erd-Kugel“ betreffen. Außerdem werden auf der Grundlage von Daten, die einmal von Tycho Brahe und zum anderen von Riccioli stammen, Mutmaßungen über die Entfernung der Erde zur Sonne und zum Mond sowie Größenvergleiche angestellt. 

Im vierten Kapitel erfolgt eine ausführliche Behandlung der damals bekannten Planeten. Dabei wird insbesondere die Erfindung des Tuborum coelestium gewürdigt, welche die Kenntnisse über die Planeten revolutioniert hat. Bei den Planeten unterscheidet der Autor 6 Hauptplaneten und 10 Nebenplaneten (Monde), von denen die Erde einen, Jupiter vier und Saturn fünf besitzt. Bei der folgenden Behandlung der Hauptplaneten wird jeweils sehr ausführlich auf die Entstehung und mythologische Bedeutung ihrer Namen eingegangen, aber auch ihr Erscheinungsbild im Fernrohr mitgeteilt sowie Mutmaßungen über ihre Bewohner angestellt. Dazu ein paar Zitate aus dem Abschnitt über den Planeten Jupiter:

§.5 Sein Cörper ist zwar der Figur nach rund, jedoch sehr rauch und uneben, auch mit vielen heraufstehenden Bergen versehen. Man siehet ihn fast immerdar mit etlichen dunckeln Gürteln umgeben, die da bald schwärzlich, bald breiter, bald schmähler, bald gerade, und bald gebogen erscheinen, welche Veränderungen einige Astronomi Maculas zu nennen pflegen ...

§.6  Dieser schöne Haupt-Planet führet 4 Satellites um sich, die ihn, gleichwie der Mond, unsere Erde beleuchten. Vor Erfindung der Fern-Gläser, hat man nichts von ihnen gewußt; Als aber Simon Marius, ein Teutscher, und des Markgraffen zu Anspach Mathematicus An. 1609 einen Holländischen Tubum in die Hände bekam, so entdeckte er sie damit zu Ende desselbigen Jahres, gleichwie sie auch darauf, nehmlich A. 1610 den 7.Jan. der Florentinische Mathematicus Galilaeus ebenfalls observiret, und dieselben Sidera Mediceae, als wie Marius solche zu Ehren seines Fürsten Sidera Brandenburgica genennet hat. Wer einen guten Tubum von 6 bis 9 Schuch besitzet, der wird dieselben ohne Mühe bey oder neben dem Jove, und zwar auf unterschiedenen Arten, sehen können; Weil sie bald alle neben ihn entweder zur rechten oder lincken Hand, bald einer oder mehr auf dieser, und doie übrigen auf der andern Seiten, insgemein aber zugleich in einer geraden Linie zu betrachten seyn ...

§.11  ... Ingleichen, weil derselbe vielmahl größer als die Erde, wie dann Doppelmeyerus, wie oben §.9 allbereit gemeldet, behaupten will, daß er 10397 mahl, und Wolffius 21952 mahl, die Erde der Grösse noch übertreffen soll; welches auch nicht unglaublich zu seyn scheinet, weil dieser Cörper 4 Monden zur Beleuchtung haben muß, und die Erde, weil sie wie viel mahl Tausend kleiner ist, sich nur mit einem Monden behelffen kann: Als schliessen sie daher, daß dieser grosse Cörper gleichwie die Erde, Innwohner haben müsse. Denn hat Gott so einen kleinen Cörper, wie unsere Erde, mit Innwohnern zur Verherrlichung seines Majestätischen Nahmens besetzet; warum sollte er denn einen so vielmahl grössern Cörper gantz leer ohne Creaturen erschaffen haben, um ihn noch darzu mit 4 grossen Lichtern beleuchten zu lassen? Der unvergleichliche Herr Hoff-Rath Wolff zweifelt gar nicht daran, daß nicht sollten Menschen darinnen wohnen, sintemahl er sich der Mühe genommen in seinen Element. Astronom. §.491 derer Innwohner daselbst, so gar ihre Länge, durch die Rechnung zu determiniren, daß sie über 13 Französische Schuch lang, und fast ebenso groß, als dorten Og, der König zu Basan, seyn müssen, im 5. Buche Mosis am III. Capitel.

Die Sonne wird mit im Kapitel über die Planeten und zwar in genau der gleichen Systematik, behandelt. Ab § 10 werden dann die Verfinsterungen im Detail und qualitativ völlig korrekt beschrieben.  Auch dazu ein Ausschnitt aus dem Lehrbuchtext:

§.11  Wenn der Mond, als ein undurchsichtiger Cörper, zwischen die Sonne und Erde zu stehen kommt, und solchergestalt der Erden die Strahlen der Sonnen benimmt und aufhält, so geschiehet eine Sonnen-Finsterniß; Begiebt es sich aber, daß die Erde zwischen die Sonne und den Mond, recht inne zu stehen kömmet, und also dadurch dem Mond die Strahlen der Sonnen benimmt und aufhält, so geschiehet eine Mond-Finsterniß; Alsdann wirfft die Erde lauter Schatten in die Höhe, welchen der Mond entweder gantz durchlauffen, oder etlicher Massen berühren muß. Dahero auch die Total- oder Partial-Mond-Finsternisse entstehen. Denn gehet der Mond mitten durch den Schatten der Erden, so wird er ganz und gar verfinstert, und das heisset sodann eine Total-Finsterniß; Gehet er aber nur zur Seiten und am Rande dieses Schattens weg, so wird nur ein Theil seines Lichts verfinstert, und das heist eine Partial-Finsterniß. Und hierauf gründet sich nun der ganze Beweiß, daß die Sonne grösser als die Erde; desgleichen daß der Mond kleiner als die Erde; Item, daß die Sonne wohl 20 mahl höher als der Mond; und endlich auch, daß die Erde gantz Kugel-rund seyn müsse...

...

§.26  Alle Sonnen-Finsternis geschehen im Neu-Monden, und zwar daher, sintemahl ausser solcher Zeit, der Mond nicht zwischen die Sonne und Erde zu stehen kommen kann. Wobey aber zu mercken, daß eine Sonnen-Finsternis nicht in allen Neu-Monden zugeschehen pfleget, sondern nur zur selbigen Zeit, wenn der Mond entweder selbst auf der Ecliptica mit der Sonne zusammen kommt, oder aber doch höchstens nicht über 20 Grad, von denen so genannten Nodis oder Knoten Puncten, wo nemlich die Strassen des Mondes und der Sonne, einander durchschneiden, entfernet ist...

In den folgenden Paragraphen beschreibt Christian Pescheck noch weitere Aspekte von Sonnenfinsternissen und wie man sie am besten, z.B. mittels einer Camera obscura, beobachten kann.

Das „fünffte Capitel von Der eigentlichen ungleichen Bewegung derer Haupt-Planeten, nach welcher sie uns bald rechtläufig, bald rückgängig, bald stille stehend, erscheinen“ behandelt die genannten Phänomene sowohl in tychonischer als auch copernicanischer Sichtweise unter Verwendung geometrischer Argumente, die nachzuvollziehen jedoch sehr viel Konzentration erfordern.

Im sechsten Kapitel werden die Fixsterne behandelt. Nach einer historischen Einführung lernt man in diesem Kapitel „die Größe oder Gattung“ der Sterne kennen, ihre Benennung sowie ihre Einteilung in Sternbilder.  Auch wußte ich bis zur Lektüre dieses Kapitels noch nicht, daß man damals die Milchstraße auch „Jacob-Strasse“ genannt hat. Die nun folgende ausführliche Vorstellung der einzelnen Sternbilder erfolgt wieder in einer genau vom Autor festgelegten Systematik: Zuerst erfolgt eine Beschreibung, danach eine philologische Abhandlung über die Herkunft des Sternbildnamens sowie der Namens einzelner Sterne. Dazu folgende Leseprobe:

Ursa major, der grosse Bär.
Heisset auch Plaustrum majus, der grosse Wagen, Helice, Callisto, Arctos major, Parrhasis, dieses Gestirnes gedencket Hiob am IX.9. bestehet aus 71 Sternen, darunter sind 6 der andern, 4 der dritten, 16 der vierdten, 21 der fünfften, 23 der sechsten, und 1 der siebenden Grösse. Unter allen diesen Sternen sind nur sieben recht hellschimmernd vor unsern Augen, welche dahero von dem gemeinen Mann das Sieben-Gestirn, Septem triones genennet werden; Die andern in der Mitten des Schwanzes hat über sich einen gantz kleinen Stern, welcher Alcor oder der Splitter-Richter heisset, davon hernach das Sprichwort entstanden: Alcor vidisti, Lunam plenam non vidisti, das ist ander Leute kleine Fehler sehen, aber seine grobe und eigene nicht mercken.

Der Aratus macht die Helicen auch zu des Jovis Säugamme, wie oben erwehnet. Ovidius aber und Hyginus geben an, die Callisto sey des Lycaonis Königs in Arcadien Tochter gewesen, habe aus sonderbaren Belieben zu der Jagd ihren Vater verlassen und der Dianae gefolget. Wie sie aber einsmahls alleine in dem Walde gewesen, sey sie von dem Jove unter der Gestalt der Dianae hintergangen, und geschwächet worden, und deswegen von der Dianae, nachdem sie im Bad nicht verbergen können, daß sie schwanger sey, aus ihrer Gesellschafft verstossen worden. Dieser Gelegenheit hat sich die Juno bedienet, und die Callisto zur Rache in einen Bären verwandelt, in welcher Gestalt sie lang in denen Wäldern herum geschweifft, bis sie endlich ihr Arcas, den sie aus diesem Beyschlaff gebohren, einmal unerkandter Weise verfolget, und ohnefehlbahr würde erschossen haben, wenn nicht Jupiter es verhindert, und sie beyde unter die Sterne versetzet: Arcuit omnipotens: pariterqve ipsosqve nefasqve, Sustulit, & celeri raptos per inania vento Imposuit coelo, vicinaqve sidera fecit.

Worüber sich aber die Juno noch mehr ereyfert und von dem Oceano und dessen Gemahlin, der Thetii, gebeten, sie möchten dieses Gestirne niemahls untergehen lassen, wie es Ovidius beschreibet ...

Auf diese Weise werden nach und nach alle Sternbilder des gesamten Himmels (!) abgehandelt, darunter auch solche, die es heute nicht mehr gibt oder deren Zustandekommen heute fast vergessen ist wie z.B. das Sobieskische Schild, Scutum Sobiescianum. Man merkt beim Lesen deutlich, daß zu Beginn des 18. Jahrhunderts nur sehr wenig über die Natur der Sterne bekannt war. Auch die Entfernung zur „Sternsphäre“ unterschätzt der Autor, in dem er die von Copernicus und Tycho Brahe jeweils angegebenen Werte zitiert (hier taucht als Entfernungsmaß der Begriff der „Welt-Ruthe“ auf, die qualitativ im copernikanischen System unserer Astronomischen Einheit entspricht). 

Im siebenten Kapitel, daß der Astrognosie gewidmet ist, wird erläutert, wie man anhand von Beobachtungen im Unterricht den Himmel mit seinen Sternbildern, den Planeten, Sonne und Mond sowie seine Bewegungen kennenlernen kann. Dabei wird u.a. erklärt, wie man eine Mittagslinie konstruiert, wie man die geographische Breite eines Ortes bestimmt (für Zittau erhält er einen Wert von 51°) und zu welchen Zeiten man welche Sternbilder beobachten kann.

§. 10  Zu der Erkänntnüß derer Sternen, können Schickardi oder Zimmermanns Coniglobia, welche letztere Herr Andreae Anno 1724 vermehret, und neu stechen und drucken lassen, sehr viel beytragen; und zwar, wenn man die darauff befindlichen Sterne, nach ihrer abgetheilten Größe, mit einem Feder-Messer sauber aussticht, und solche Abends gegen ein Licht hält; welche Bemühung sehr viel zur Erkäntnüß derer Sterne contribuiren kann. Und, nachdem Schickardi Coniglobia gar nicht mehr zu haben, und des Herrn Andreae seine, theils gar schwer bey uns in Ober-Lausitz zu bekommen; theils auch, nebst dem darzu gehörigen Buche, sehr theuer sind vor einen armen Scholaren, als habe selbst welche in kleinen Format stechen lassen, und diesem Buche interiret; deren sich ein Anfänger der Astronomie wird bedienen können ...

Interessanterweise werden erst im achten Kapitel die Kometen zusammen mit den „Neuen Sternen“ behandelt. Man merkt dabei deutlich, daß zu jener Zeit über die Natur dieser Objekte nur wenig, und meist davon auch aus heutiger Sicht Falsches, bekannt war. Behandelt werden Kometen als „Ausdünstungen“ von Planeten und Sternen (Kepler, Hevelius), aber auch die Theorie, daß sie mehr den Planeten ähneln (Cassini), wird diskutiert (und man merkt, daß Letztere die Sympathie des Autors hat):

§.6  Hingegen Cassinus in Franckreich, und Bernoullus in unseren Teutschlande, denen ietziger Zeit die allermeisten Astronomi und Physici beypflichten, statuieren, und aus allen Kräfften behaupten wollen, daß die Cometen nichts anders als Planeten, oder doch als andere mit ihnen zugleich erschaffene beständige Welt-Cörper wären, die wegen ihrer grossen Eccentricität sich in einer sehr weiten Bahn bewegten, und nur alsdenn erst zum Vorschein kämen, wenn sie sich ihrem Perihelio näherten, und hernach unserm Auge sich wieder entzögen, wenn sie auf der andern Seiten gegen das Aphelium hinauf steigen. Der Dr. Gottfried Polycarpus Müller, des Zittauischen Gymnasii Hochberühmter Director, spricht des Cassini und Bernoulli Definition und Meynung von denen Cometen, in seinem Buche Weißheit und Klugheit benahmt, pag. 137.§.31. also aus: Ein Comete ist ein Stern, so einem Fix-Stern zum Centro hat, und in einer so grossen elliptischen Figur um denselben bewegt wird, daß er tief gegen die Sonne zu herab, und endlich wieder hinauf steiget. Ein Comet hat einen Fix-Stern zum Centro: 1) Also bewegt er sich nothwendig eine Zeitlang über ihn, und eine Zeitlang unter ihn; 2) Dannenhero wird er nur von uns gesehen, wenn er so tief herunter steiget, daß er unter die, uns sichtbahre Sphaere der Fix-Sterne kömmt. 3) Also wird er immer grösser erblicket, jeh mehr er nieder steiget, und immer kleiner, je mehr er wieder hinauf steiget. 4) Ja, weil die sichtbahre Herabsteigung das äusserste seiner elliptischen Bewegung ist; so muß sie nothwendig geschwinder unsern Augen nach, geschehen.

Christian Pescheck waren sogar die Rechnungen von Edmund Halley bekannt, der bekanntlich die Wiederkehr des 1682 beobachteten Kometen für das Jahr 1759 vorhergesagt hat (der dann von Johann Georg Palitzsch auch entdeckt wurde). Er schreibt dazu in seinen §. 8 des Kometen-Kapitels:

Der berühmte Mathematicus Herr Newton, hat die obbemeldete Hypothesin des Bernoulli und Cassini nicht allein approbiret, sondern auch dieselbe in seinen Principiis Mathematicis Philosphiae naturalis pag. 439. Der neuen Edition von Anno 1714 dergestalt ausgeführet, daß Hallejus, aus seinen Gründen die Rechnung in den Stand gebracht, wie man den Lauff des Cometen gleich wie andere Planeten, voraus anzeigen könne. Inzwischen hat man doch denjenigen Cometen der An. 1718 vom 18. Januarii an zu Berlin von Herrn Kirchen ist observiret worden, nach des Halleji seiner neuen Cometen-Rechnung nicht vorher ansagen können, woraus zu schliessen, daß seine Rechnung noch nicht zur Vollkommenheit gediehen, und wenn es so weit kommen wird, daß man derer Cometen ihre Erscheinung, sowohl wie der Planeten ihre vorher sagen wird können, alsdenn mögen diejenigen, so es mit Keplero und Hevelio halten, einpacken, und hingegen dem Cassino, Bernoullu, Petito, Montanario, und allen, die es mit ihnen halten, gewonnen geben.

Bei den „Neuen Sternen“ werden relativ ausführlich die Tychonische Supernova von 1572 und die Keplersche Supernova von 1604 behandelt. Außerdem erwähnt er einige schon damals bekannte veränderliche Sterne. Dabei scheint er urtümlich den Andromeda-Nebel auch in diese Sterngruppe einzuordnen. Er kannte offensichtlich die teleskopischen Beobachtungen von Simon Marius, ohne aber selbst von dem „Nebelfleck“ zu wissen:

§.19  In dem Gürtel der Andromedae befindet sich auch ein solcher veränderlicher Stern. Man hat ihn darinnen An. 1612 und 13, als auch An. 1664 observiret. Man pfleget ihn insgemein Nebulolam in cingulo Andromedae zu nennen, weil er nicht so deutlich als andere Fix-Sterne erscheinet.

Interessanterweise scheint Pescheck den 1596 von David Fabricius entdeckten Stern „Mira“ im Sternbild Walfisch jedoch nicht zu kennen.

Im neunten Kapitel werden sehr ausführlich die Aspekte (also z.B. Konjunktion und Opposition) behandelt und ihr Zustandekommen erläutert, bevor dann im „Zehenden Capitel“ eine Gesamtschau über die „Weltgebäude“ – Systematibus Mundi, gewagt wird. Begonnen wird mit dem Ptolemäischen Weltsystem:

§.7 Dieses Systema mundi, haben fast alle Astronomi iederzeit pro viribus defendiret, und an dessen Unrichtigkeit nicht gezweiffelt, biß auf die vor 119 Jahren glückliche Erfindung derer Fern-Gläser, oder Stern-Röhre, durch welche Copernicus seine Unrichtigkeit demonstriret, und erwiesen, daß Venus und Mercurius um die Sonne herum lauffen, dahero von keinem Astronomo mehr dieses Systema aestimiret und gebrauchet wird.

Zugleich schreibt er über das Copernicanische Weltsystem:

§.8  Was das Systema Copernicanum anbelanget, wird dasselbe heutiges Tages fast von allen Astronomis, ob es gleich der heiligen Schrift zuwieder seyn scheinet, vor das allerrichtigste und vernünfftigste approbiret und gehalten.

Danach erfolgt eine ausführliche Beschreibung des Copernicanischen Systems (Pescheck konnte aus der Originalarbeit von Nicolaus Copernicus schöpfen, denn sie war damals in der Zittauer Ratsbibliothek vorhanden – und kann auch heute noch im Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek eingesehen werden) und zum Abschluß wird auch noch mit einiger Ausführlichkeit das Weltmodell von Tycho Brahe behandelt. Sehr interessant ist auch zu lesen, welche Kontroverse das Copernicanische System unter den Theologen ausgelöst hat, die wiederum mit dem Tychonischen System offensichtlich keine Probleme hatten.

Die nächsten Kapitel diese aus 630 Seiten bestehenden Buches handeln von den eigentlichen Vorlieben des Autors, und zwar von der Kalenderkunde. Hier hat er offensichtlich alles zusammengetragen, was man damals darüber wußte. Dabei gibt er u.a. die Kalenderdaten aller wichtigen christlichen Feiertage bis 1760 an. Im letzten Teil des Buches werden eine Vielzahl, wir würden heute sagen, Übungsaufgaben, aus der Astronomie vorgestellt und gelöst. Das betrifft z.B. die Bestimmung der geographischen Breite aus Polhöhenmessungen, die Berechnung von Auf- und Untergangszeiten der Sonne für einen gegebenen Ort, die Dauer des Tages und der Nacht für einen bestimmten Tag usw. Im Ganzen sind die 24 Probleme, die hier vorgestellt werden, auch aus heutiger Sicht durchaus recht anspruchsvoll. Der Anhang, welcher das Werk abschließt,  enthält eine Liste der geographischen Koordinaten von 600 Städten weltweit sowie ein ausführliches Register und eine Anzahl Kupferstiche, auf die im Text bezug genommen wird.

Der „Vorhof der Stern-Wissenschaft“ verrät, daß sein Autor aus sehr vielen Quellen schöpfen konnte, die er aber im Buch nicht einzeln angegeben hat. Sie sind aber rekonstruierbar. Magister Christian Pescheck, über dessen Leben ich noch ausführlich berichten werde, war von 1704 an Lehrer am Zittauer Gymnasium und hatte damit auch Zugang zur Zittauer Ratsbibliothek, die seit Christian Weises (1642-1708) Zeiten vom Gymnasium verwaltet wurde. Sie befand sich seit 1709 im Heffter-Bau des ehemaligen Jesuiten-Klosters, der heute zum Zittauer Stadtmuseum gehört. Diese Bibliothek ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert und es gäbe viel darüber zu berichten. Hier sollen aber nur die astronomischen Bücher interessieren, die in ihr in außergewöhnlich großer Zahl vorhanden waren (ein beträchtlicher Teil davon hat die Zeiten überdauert und kann heute im Altbestand der Christian Weise Bibliothek eingesehen werden).  Folgende Liste führt einige wenige Werke an, auf die Christian Pescheck bei der Abfassung seines Lehrbuches zurückgreifen konnte:

Nicolaus Copernicus „ De Revolutionibus Orbium Coelestium…” (1543)
Nicolaus Copernicus  „De lateribus et angulis triangulorum“ (1542) (nicht mehr vorhanden)

Tycho Brahe „De mundi aetherei recentioribus Phaenomenis, Liber Secundus …“  (1610)
Tycho Brahe „Epistolarum astronomicarum Libri …“  (1610)
Tycho Brahe „Astronomiae instauratae Progymnasmata …"  (1602)
Tycho Brahe "De mundi aetherei recentioribus Phaenomenis …"  (1603)  
Dieser Band ist nicht mehr vorhanden. Er ist vermutlich der „Bestandsbereinigung“ Mitte der 80ziger Jahre zum Zwecke der geheimen Devisenbeschaffung der DDR (wie Copernicus sein Werk auch, welches aber wiedererlangt werden konnte) zum Opfer gefallen.

Johannes Kepler „Harmonices Mundi …“ (1619)
Johannes Kepler „Nova Stereometria …“ (1615)
Johannes Kepler „Auszug auß der Uralten Mese Kunst Archimedis …“ (1616)
Johannes Kepler „Epistolae ad Johannem Kepplerum …“ (1718)
Johannes Kepler „De Stella Nova …“ (1606)
Johannes Kepler “De Iesu Christi Servatoris Nostri …” (1606)
Johannes Kepler “Tabulae Manuales Logarithmicae …” (1700)
Johannes Kepler “Epitome Astronomiae Copernicanae …” (1618)

Galileo Galilei “Philosophi ac Mathematici summi Systema Cosmicum …” (1699)
Galileo Galilei  “Discursus et Demonstrationes Mathematicae …“ (1699)

Die beiden folgenden Bände gelangten erst nach Christian Peschecks Tod in die Zittauer Bibliothek:

Galileo Galilei „Sidereus nuncius …“ (1653)
Galileo Galilei  “Dialogo di Galileio Galilei Linceo matematico sopraordinario …”  (1632)

(Auskunft Herr Kahl, Leiter des Altbestandes der Christian Weise Bibliothek in Zittau)

Wer war nun dieser Christian Pescheck, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Himmelskunde als lohnendes Lehrfach auch für Gymnasien (und nicht nur Universitäten) entdeckte? 

Eigentlich muß man mit seinen Vorfahren beginnen, die einem einmal sehr angesehenen böhmischen Bauerngeschlecht mit Namen Peschirschka angehörten und die im Zuge der Gegenreformation in der Mitte des Dreißigjährigen Krieges aus ihrer Heimat vertrieben wurden, weil sie nicht ihren hussitischen / protestantischen  Glauben ablegen wollten. Sie fanden als Exulanten eine neue Heimat in Kursachsen und bildeten auch in Zittau damals eine große tschechische, zweisprachige Gemeinde. 

Sein Urgroßvater, Christoph Pescheck, ein protestantischer Bauer aus dem Dorf Grusitz bei Königsgrätz, hat nicht schnell genug fliehen können, und erfuhr deshalb die ganze Menschenliebe der Jesuiten am eigenen Leibe, die versuchten mit Haft (wahrscheinlich auf der Burg Frimburg bei Nachod) und grausamer Folter ihn wieder zum Katholizismus zu bekehren. Er hielt dem Stand und starb als Märtyrer der protestantischen Lehre. Sein Sohn konnte glücklicherweise nach Sachsen entkommen, wo er, wie viele böhmische Exulanten, eine neue Heimat unter Glaubensgenossen fand. Dessen Sohn, Christoph Pescheck, wurde Musiker. Er lebte erst eine zeitlang in Königsgrätz in Böhmen, mußte dann aber auch um der evangelischen Lehre wegen von dort fliehen. Sein erstes Ziel war Schlesien. Dann ließ er sich aber endgültig in der Sechsstadt Zittau nieder, wo er in Pethau lebte und dort ein angesehener Bürger wurde. Ihm ist am 31. Juli 1676 (wahrscheinlich als er noch in Königsgrätz weilte) sein Sohn Christian geboren worden, der später ein über Deutschland hinaus berühmter „Rechenmeister“ werden sollte, den man lange noch in einem Atemzug mit Adam Ries zu nennen pflegte („richtig nach Adam Riese und Pescheck“). Seine Schulbildung erhielt er in Zittau. Er konnte die Schule zwar 1690 abschließen, aber ein Studium blieb ihm wegen der Erkrankung seiner Eltern erst einmal verwehrt. Er nahm stattdessen eine Stellung als Kopist bei einem Rechtskonsulenten in Budissin (dem heutigen Bautzen) an. Während dieser Zeit besuchte er Privatstunden beim Rektor des Bautzner Gymnasiums mit Namen Rosenberg. Ungefähr ein Jahr später kehrte er nach Zittau zurück, wo er bei einem befreundeten ungarischen Gymnasiasten seine Lateinkenntnisse verbesserte. Dieser riet ihn zu einer Studienreise nach Ungarn, die er dann auch mangels Geldmittel (es heißt, er habe nur einen Taler Wegzehrung besessen) im Jahre 1693 zu Fuß antrat. In Birkenhain in den Karpaten (heute Brezova pod Bradlom in der Slowakei) gelang es ihm, in dessen Schule unterzukommen, nach dem seine Bittschrift aufgrund seiner schönen Handschrift von der Baronesse Catharina Sidonia von Ostrpschitz mit Wohlwollen angenommen wurde. Ihr konnte er ein ganzes Jahr als Schreiber und Bediensteter dienen. Sein Weg führte ihn weiter in die Stadt Trentschin (heute Trencin) am Rande der Weißen Karpaten, wo er die evangelische Schule besuchte. Seine außergewöhnlichen Rechenfertigkeiten verhalfen schließlich Christian Pescheck zu einer Anstellung bei zwei begüterten Kaufleuten, deren Kinder er in Schreiben und Rechnen unterrichten mußte. Auf diese Weise verschaffte er sich die Voraussetzungen, die ihm ab 1698 an der damals sehr berühmten Universität zu Wittenberg ein Studium der Theologie ermöglichte, das er durch Schreib- und Rechenarbeiten finanzierte. Seinen akademischen Titel als Magister erlangte er im Jahre 1707, als er längst Mathematik-Lehrer am Zittauer Gymnasium war.  Zuvor ist er im Jahre 1700 wieder in die Oberlausitz zurückgekehrt, arbeitete eine zeitlang als Prediger bei der Böhmischen Gemeinde in Neusalza bis er 1704 aufgrund seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Rechenkunst eine Anstellung als öffentlicher (d.h. von der Stadt bezahlter) Lehrer in seiner Heimatstadt Zittau fand, wo er dann 40 weitere Jahre wirkte.

 Ab 1707 beginnt seine überaus umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit als Autor insbesondere auf dem Gebiet der praktischen Mathematik und der Rechenkunst. Allein in diesem Jahr erscheinen von ihm die Bücher

Die Species in Gebrochenen Zahlen
Die Regulam de Tri in Gebrochenen Zahlen
Welsche Practic in Ganzen und Gebrochenen Zahlen
(alle erschienen in Görlitz).

Damit begründete er seinen Ruf als Rechenmeister und galt lange Zeit als der große Nachfolger des Adam Ries (1492-1559) in Deutschland. Für ihn stand immer das praktische Rechnen, die Fertigkeit mit Zahlen umzugehen, im Vordergrund und weniger die mathematische Grundlagenforschung, wie sie z.B. von den Brüdern Bernoulli oder Leonhard Euler, betrieben wurde. Deshalb fanden seine im Laufe der Zeit entstandenen Lehrbücher, wie z.B. der „Vorhof der Rechenkunst“  oder die „Allgemeine Deutsche Rechen-Stunden“, große Verbreitung und wurden auch noch vielmals nach seinem Tode, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein, immer wieder neu aufgelegt. Insgesamt sind von ihm rund 40 verschiedene Bücher, z.T. in für die damalige Zeit sehr großen Auflagen,  veröffentlicht worden. Darunter auch Bücher zur Unterhaltungsmathematik ("Arithmetische und geometrische Erquickungsstunden", 1726).

In der Astronomie hat er sich dahingehend einen Namen gemacht, daß er mit seinem „Vorhof zur Stern-Wissenschaft“ das erste für Schulen brauchbare Astronomie-Lehrbuch in Deutschland herausgebracht hat. Er führte quasi den „Astronomieunterricht“ – ergänzt durch praktische Beobachtungen des Sternhimmels, wie auf dem Kupferstich des alten Zittauer Gymnasiums zu sehen ist – in die gymnasiale Ausbildung ein. Eine Tradition, die 2007 durch den unsäglichen, gegen den Willen der Bevölkerung von der sächsischen Landesregierung durchgesetzten Beschluß zur Abschaffung des eigenständigen Astronomieunterrichts an Gymnasien in Sachsen, gebrochen wurde. Sein Lehrbuch, welches im Gegensatz zu anderen damals verfügbaren Werken zur Astronomie nicht in Latein, sondern in Deutsch, und dazu noch, wir würden heute sagen, auf einem höheren populärwissenschaftlichen Niveau geschrieben war, diente auch weniger bemittelten Menschen als Wissensquelle. Hier sei an erster Stelle der Landwirt Johann George Palitzsch (1723-1788) aus Prohlis bei Dresden genannt, der nachweislich einen großen Teil seines astronomischen Wissens (er wurde auch „Bauernastronom“ genannt und hat z.B. die aus Amerika stammende Kartoffel in Sachsen eingeführt) und seiner Motivation zu Himmelsbeobachtungen des Studiums des vorgestellten Lehrbuchs verdankte. Er wurde schlagartig berühmt, als er am 25. Dezember 1758 den wieder in Sonnennähe gelangten Halleyschen Kometen als Erster auffand. 

Sein praktisches und handwerkliches Geschick hat Christian Pescheck auch in Bau und Konstruktion eines mechanischen „Planetariums“ zur Veranschaulichung des Copernicanischen und des Tychonischen Weltsystems bewiesen. Ob es die Zeiten überdauert hat, ist mir leider nicht bekannt. Auch scheint er sich, wie man aus dem entsprechenden Kapitel seines „Vorhofs ...“ entnehmen kann, mit der Konstruktion und dem Bau von Himmelsgloben beschäftigt zu haben. 

1733 erschien von ihm ein weiteres, im gewissen Sinne astronomiebezogenes Werk in Budessin: „Vorhof der Sonen-Uhrkunst,  darinnen die Funf Regulair Sonenuhren“. 

Den größten Teil seiner Bücher betreffen, wie bereits mehrfach erwähnt, die Rechenkunst - aber nicht nur. Er übersetzte eine ganze Anzahl theologischer Schriften aus der böhmischen in die deutsche Sprache. Dichtete Kirchenlieder sowie erbauliche Gedichte und förderte den Gottesdienst der Exulanten in böhmischer Sprache. Ja er selbst trat mehrfach (z.B. am Reformationstag) als hoch verehrter und gefeierter Prediger vor der damals sehr zahlreichen Zittauer Exulantengemeinde auf, insbesondere, weil er auch in deren Muttersprache predigen konnte.  Weiterhin war Christian Pescheck mittelbar an der (damals verbotenen) Verbreitung protestantischer Schriften in Böhmen beteiligt, in dem er z.B. ein Vorwort für ein „Böhmisches Neues Testament“ (1720) schrieb, welches in Zittau gedruckt und von dem damals sehr bekannten Buchhändler Wenzel Kleych in das streng katholische Böhmen geschmuggelt wurde. Auch das von Kantor Miller editierte "Böhmische Gesangbuch" von 1710 enthält eine Vorrede Peschecks.

Von seinen zahlreichen Schulschriften sei noch sein zweiteiliger „Vorhof zur Schreibkunst“ und sein „Anfahender lateonischer Schüler“ genannt. Am Zittauer Gymnasium gründete er ein Collegium mathematicum, von dem viele Impulse für den Mathematikunterricht in Sachsen und Böhmen ausgingen.

Christian Pescheck war dreimal verheiratet. Sein jüngster Sohn, Christian August (1721-1747) begründete dann die eigentliche Gelehrtendynastie der Peschecks. Er war der Vater von Christian Adolph Pescheck (1752-1826), der besonders durch seine Erforschung der Gegenreformation in Böhmen sowie durch eine Vielzahl heimatgeschichtlicher Forschungen (z.B. über die Geschichte der Cölestiner-Mönche auf dem Oybin) berühmt geworden ist. Auf dem Berg Oybin im Zittauer Gebirge kann man noch heute seine Büste als Denkmal sehen.  
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