Montag, 31. August 2015

Leseprobe 22: Panoptikum interessanter Dinge und Begebenheiten


TB: Seite 143

Die Euphemismus-Tretmühle
Und hier offenbart sich schon das Dilemma einer politisch korrekten Sprache. Wenn Wörter mit negativer Konnotation durch „neue“ ersetzt werden, dann werden diese „neuen Wörter“ im Laufe der Zeit selbst auch eine negative Konnotation annehmen, solange sich das soziale Umfeld bzw. die sozialen Verhältnisse um den Begriff herum nicht ändern. Sie müssen dann wiederum durch einen noch „neueren Begriff“ ersetzt werden … ad infinitum (könnte man spaßeshalber sagen – „Ausländer“ – „Menschen mit Migrationshintergrund“ – „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ - …, oder, ein anderes Beispiel: „Rabauken“ – „schwer erziehbare Kinder“ – „verhaltensgestörte Kinder“ – „verhaltensauffällige Kinder“ – „verhaltensoriginelle Kinder“ - … ). Der erfahrene Sprachkundler spricht hier von einer „Euphemismus-Tretmühle“, die, ist sie erst einmal losgetreten, so leicht nicht wieder anzuhalten ist. Niemand, aber auch niemand (auch die Betroffenen nicht) würde sich über Wörter wie „Neger“ oder „Zigeunerschnitzel“ aufregen oder sich diskriminiert fühlen, wenn die gesellschaftliche Wirklichkeit keinen Platz für Rassismus, Sexismus oder anderen Arten von Diskriminierung hätte. Denn mit Euphemismus (also dem „Schönreden“ von Problemen) leistet man keinen echten Beitrag zu deren Lösung.

Biologisch gesehen gibt es keine Menschenrassen
Wenn es z. B. in der Gesellschaft unisono wäre, dass es in Wirklichkeit keine „Menschenrassen“ gibt und die Hautfarbe nur eine den ökologischen Gegebenheiten angepasste phänotypische Ausprägung bestimmter Gene ist (die moderne Genetik kann beweisen, dass genotypisch ein „schwarzes“ und ein „weißes“ Individuum unter Umständen miteinander näher verwandt sein können als zwei x-beliebige „weiße“ oder „schwarze“ Individuen), dann wäre halt „Roter“, „Weißer“, „Gelber“ oder „Schwarzer“ nur eine neutrale Begrifflichkeit für diesen Fakt und man könnte sich die andauernde Umdeutung von Begriffen ersparen. Besser wäre es, man würde sich bemühen, die gesellschaftlichen Verhältnisse entsprechend zu ändern (z. B. durch Investitionen in Bildung und Erziehung). Denn political correctness ist bei näherer Betrachtung nichts anderes als eine Verschleierung der Wirklichkeit, um sie besser aussehen zu lassen als sie ist und um Scheinprobleme zu schaffen, über die sich dann unter Ausklammerung der wirklich wichtigen gesellschaftlichen Probleme trefflich streiten lässt. Sie lässt sich aber auf Dauer nicht aufrechterhalten, denn es gilt immer noch der alte Satz von Abraham Lincoln:

Man kann alle Leute einige Zeit und einige Leute alle Zeit, aber nicht alle Leute alle Zeit zum Narren halten.“

Dabei bedeutet die Redewendung „zum Narren halten“ von der ursprünglichen Bedeutung her eigentlich nur „jemanden als Hofnarren“, d. h. als „Spaßmacher“ zu halten, der sich gegenüber seinem „Halter“ gewisse Freiheiten parodierender Art erlauben darf, die anderen schnell zum Verhängnis werden können.


Narren und Spaßmacher
...

1 Kommentar:

  1. Hallo Mathias! Zum Thema "Euphemismus-Tretmühle" und einer immer neueren Wortfindung, fällt mir als ein Beispiel für Dumm und/oder Blöd, etwas vornehmer ausgedrückt das Wort "Bildungsferne" ein.
    Beim Thema "…Menschenrassen" stimme ich Dir gerne zu, dass die Investition in Bildung und Erziehung eine wunderbare Vorstellung ist, aber global gesehen, wird es wohl wegen den unterschiedlichsten Kulturen leider ein Wunschtraum bleiben. Viele Grüße Werner

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